Auszüge aus 4 Frontbriefen des deutschen Piloten Willy Hölscher
geboren 12.08.1893 - gefallen 31.01.1917

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In der Champagne, 20. Februar 1916

Das Wetter ist heute schön. Wenn es so bleibt, reite ich heute nachmittag zu unseren Fliegern. Nun noch eines. Seid doch so gut und schickt mir Blumensamen! Vorn um meine Deckung herum sieht es wenig hüpsch aus, und wer weiß, wie lange ich da noch drin sitze - darum will ich Blumen dahinpflanzen. Also bitte Samen von Wicken, Winden, Sonnenblumen, Flachs, Reseda usw.
Ich will mir die häßliche Erde da ordentlich grün anpflanzen.

Graudenz, 7. April 1916

Bald kann ich alleine fliegen; nach dem Urteil meines Lehrers lerne ich diese Sache sehr gut und leicht. Dann werden Überlandflüge gemacht, das ist erst recht schön. - Nun seid bitte so gut und schickt mir sofort meinen Drilling mit Zubehör, Patronen, auch Kugeln, meinen dunkelgrünen Forstanzug. Litewka und den alten Forsthut, Lodenmantel und Rucksack hierher. Ich bin nämlich netterweise durch meinen Fluglehrer von einem Gutsbesitzer hier in der Nähe, der nicht viel Zeit hat, gebeten worden, seine Jagd zu bejagen, und zwar habe ich plein pouvoir. Nur den ersten Rehbock will er selbst schießen, alles andere für mich.

25. April 1916

Heute werde ich meine erste Prüfung, das Pilotenexamen machen. Da muss ich alle möglichen Sachen in der Luft machen. Eine "8" fliegen, verschiedene Landungen usw. - Alle hier wundern sich, daß ich schon so weit bin und nach knapp 4 Wochen so bon fliege. Mir macht es riesigen Spaß. Ich habe jetzt, seitdem ich alleine fliege, eine tadelose Maschine ganz zu meiner Verfügung. Einen neuen Albatros-Doppeldecker mit 100 PS Mercedes-Motor.
- Vor ein paar Tagen war ich 1200 Meter hoch, ca 300m über den Wolken, so gegen Abend bei untergehender Sonne. Unten auf der Erde war trübes, häßliches Wetter. Ein großartiger Anblick, als ich aus der trüben Gegend unter den Wolken heraustauchte, in den wunderbarsten Sonnenschein über den Wolken, die wie ein endloses Leichentuch über der Erde lagen. Da konnte man ganz vergessen, daß es da unten irgendwo noch eine Erde gab, auf der so kümmerliche Lebewesen herumkrochen. Ich hatte ein Gefühl, als könnte ich ruhig aus meinem Flugzeug aussteigen und auf den Wolken zu Fuß spazieren gehen. (Ich hab's doch gelassen.) Ganz unirdisch war's. Die armen Menschen, denen so etwas nicht vergönnt ist! Am liebsten möchte ich Euch alle mal mitnehmen dahin.

In der Champagne, 21. Januar 1917

Hier ist jetzt ziemlich viel Betrieb. Wir sind den Franzosen aber über. Das im französischen Heeresbericht vom 23. Januar erwähnte deutsche Flugzeug, das 'von einem französischen Piloten abgeschossen hinter der Navarin-Ferme niederfiel', ist leider eines von unserer Abteilung. Der hat Pech gehabt. Ausnahmefall. Wir werden ja immer, wenn wir in Reichweite der französischen Abwehrkanonen kommen, fleißig beschossen, aber: treffen ist sehr schwer. Einige ehrenvolle Wunden hat meine Maschine auch schon. Einmal 3, einmal 4, einmal 1 Treffer. Aber alles belanglose, ungefährliche, kleine Löcher; die werden zugeklebt, Datum drangemalt, fertig! Die Tragflächen haben noch viel Platz übrig.

Anm: 10 Tage später wurde das Flugzeug Willy Hölschers in der Champagne angeschossen, wobei er den Tod fand.

aus dem Buch 'Kriegsbriefe gefallener Studenten', Prof. Dr. Philipp Witkop 1928
© horst decker, 31. Mai 2006