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Die Bedingungen für den Führerscheinerwerb 1910


Führerscheinpflicht für Landfahrzeuge gibt es in Deutschland seit 1909.
Der Besuch einer Fahrschule war seinerzeit nicht notwendig. Allerdings musste eine Prüfung vor einem amtlich zugelassenem Sachverständigen beantragt und abgelegt werden, deren Bedingungen 1910 wie folgt aussahen.(wörtliche Abschrift)


  • Die Prüfungen erfolgen bei den durch die höheren Verwaltungsbehörden amtlich anerkannten Sachverständigen.
  • Die Sachverständigen bestimmen den Zeitpunkt für die Prüfung.
  • Der Prüfling hat ein Kraftfahrzeug der Betriebsart und Klasse, für dessen Führung er den Nachweis der Befähigung erbringen will, für die Prüfung bereitzustellen. Das Fahrzeug muß, wenn die Witterungs- und Wegeverhältnisse dies notwendig erscheinen lassen, mit einem oder mehreren Gleitschutzreifen versehen sein.
  • Die Prüfung ist auf den Nachweis der Befähigung zum Führen bestimmter Betriebsarten und Klassen von Kraftfahrzeugen zu richten. Sie kann abgelegt werden für Kraftfahrzeuge mit Antrieb:

    durch Elektromotoren

    durch Verbrennungsmotoren

    durch Dampfmaschinen

    durch sonstige Motoren

    und zwar

    1. für Krafträder

    2. für Kraftwagen mit einem betriebsfertigen Eigengewichte von mehr als 2 Tonnen

    3. für Kraftwagen mit einem betriebsfertigen Eigengewichte von bis zu 2 Tonnen
      a) bis zu 10 PS (Leistung der Maschine oder des Motors),
      b) über 10 PS (Leistung der Maschine oder des Motors)

  • Personen, die für eine Betriebsart und Klasse von Fahrzeugen den Nachweis der Befähigung erbracht haben, können die Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen einer anderen Betriebsart oder Klasse nur auf Grund einer besonderen Prüfung für diese Betriebsart und Klasse erhalten; jedoch schließt der Nachweis der Befähigung zum Führen eines Fahrzeuges der Klasse 3b den der Befähigung für die gleiche Betriebsart der Klasse 3a ein.
  • Die Prüfung zerfällt in einen mündlichen und einen praktischen Teil.
      1. Die mündliche Prüfung erstreckt sich auf:
        a) allgemeine Kenntnis der Hauptteile des vorgeführten Fahrzeugs, genaue Kenntnis der für die Beurteilung seiner Verkehrssicherheit in Betracht kommenden Teile, (Lenkvorrichtung, Bremsen, Geschwindigkeitswechsel, Rücklauf und Radbereifung);
        b) Verhalten in besonderen Fällen (z.B. bei Schleudern des Wagens, bei Feuergefahr am Fahrzeug, Wassermangel bei Dampferzeugern);
        c) Beurteilung der Verkehrssicherheit des Fahrzeuges vor Antritt der Fahrt;
        d) Kenntnis der für den Führer eines Kraftfahrzeugs maßgebenden gesetzlichen und polizeilichen Vorschriften.

      2. Die praktische Prüfung umfaßt:
        a) Feststellen der Wirksamkeit der Bremsen und Lenkeinrichtung, Ingangsetzung des Motors nach vorheriger Prüfung der Zündvorrichtung und einfache Fahrübungen auf kurzer Strecke (z.B. Einhalten einer gegebenen Fahrtrichtung, Ausweichen vor angedeuteten Hindernissen, schnelles Halten mit Benutzung der verschiedenen Bremsen, Rückwärtsfahren, Wenden mit und ohne Benutzung der Rückwärtsfahrt):
        b) Probefahrt auf freier Strecke in mäßigem Verkehre mit Begegnung und überholung von Fuhrwerk, Ausfahrt aus einem Grundstück, Einbiegen in Straßen, Anwendung des Warnungszeichens, Wechsel der Geschwindigkeit (wenn möglich auch in Steigungen und im Gefälle) unter Benutzung der verschiedenen zu Gebote stehenden Hilfsmittel, Handhabung der Bremsen unter verschiedenen Verhältnissen;
        c) abschließende Prüfung in freier Fahrt, auch durch belebtere Verkehrsstraßen, in mindestens einstündiger Dauerfahrt unter Benutzung aller am Prüfungsort und in seiner näheren Umgebung zu Gebote stehenden Geländeverhältnisse.
  • Für die Führung von Krafträdern ist die Prüfung der Bauart des Fahrzeugs entsprechend zu gestalten. Nach dem Ermessen des Sachverständigen kann dabei die Dauer der unter 2c vorgeschriebenen freien Fahrt eingeschränkt werden.
  • Die praktische Prüfung ist erst vorzunehmen, wenn der Prüfling die mündliche Prüfung bestanden hat. Zu der Prüfung gemäß 2c darf der Prüfling nur zugelassen werden, wenn er bei der Prüfung nach 2b volle Sicherheit, Ruhe und Gewandtheit gezeigt hat.
  • Bei den Fahrprüfungen für Kraftwagen (vergleiche 2b und c) muß der prüfende Sachverständige auf dem Wagen Platz nehmen. Er hat bei der Fahrt von Anweisungen soweit irgend möglich abzusehen und sein Augenmerk besonders darauf zu richten, ob der Prüfling die nötige Ruhe und Geistesgegenwart, einen sicheren Blick und Verständnis für die Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs besitzt, sowie ob er Entfernungen richtig abzuschätzen, die Gelände- und Verkehrsverhältnisse besonders beim Wechsel der Geschwindigkeit zu berücksichtigen und zu benutzen, die Bremsen richtig handhaben und Geräusch- und Geruchsbelästigungen nach Möglichkeit zu meiden versteht.
  • Wenn der Prüfling bereits im Besitze der Fahrerlaubnis für eine bestimmte Betriebsart und Klasse von Fahrzeugen ist, und die Ausdehnung der Fahrerlaubnis auf eine andere Betriebsart oder Klasse wünscht, kann die mündliche und praktische Prüfung nach dem Ermessen des Sachverständigen abgekürzt werden.
  • Bei der Abnahme der Prüfung ist besonderes Gewicht auf die Fahrübungen zu legen; wenn der Prüfling bei dieser Unkenntnis und Unsicherheit zeigt, ist die Prüfung abzubrechen. Die Prüfung ist nur dann als bestanden anzusehen, wenn der Prüfling in allen Gegenständen genügende Fachkenntnis bewiesen hat.


© horst decker